Gaslighting

Gaslighting bei Ehlers-Danlos-Syndrom

… oder anderen chronischen Erkrankungen 

 

 „Das ist bestimmt nur Stress.“
„Vielleicht ist das alles auch psychisch.“
„Aber du siehst doch ganz gesund aus.“ 

Wer mit einer chronischen, unsichtbaren und dazu noch dynamischen Erkrankung wie dem Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) lebt, kennt solche Sätze nur allzu gut. Sie stammen nicht nur von Fremden oder von medizinischem Personal – sondern oft auch aus dem engsten Umfeld und sie sind nicht harmlos. Solche Aussagen gehören zum Phänomen des Gaslighting – einer subtilen Form psychologischer Manipulation, bei der Betroffene beginnen, an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln. 

Mit unserem Poster möchten wir sichtbar machen, was viele Betroffene im Alltag erleben – Spott, Abwertung, Bagatellisierung, Psychologisierung – und worüber oft geschwiegen wird. 

 

Was ist Gaslighting? 

Gaslighting ist eine Form von psychologischer Manipulation, bei der jemand bewusst oder unbewusst versucht, eine andere Person an ihrer Realität zweifeln zu lassen. Menschen werden dazu gebracht, ihre eigenen Wahrnehmungen, Erinnerungen oder Symptome zu hinterfragen. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Theaterstück Gas Light (1938), in dem ein Mann seiner Frau vorspielt, sie sei verrückt, indem er schleichend kleine Veränderungen in der Umgebung vornimmt (z.B. das Licht dunkler dreht) und diese dann leugnet. 

Im Alltag passiert das oft viel subtiler. Typische Sätze sind 

 „Man kann sich auch zu sehr in etwas reinsteigern.“  

 „Stell dich nicht so an – du bist zu sensibel.“  

 „Also ich würde das nicht so an mich ranlassen.“  

Diese Aussagen sind verletzend – besonders dann, wenn sie von Menschen kommen, denen man vertraut. 

 

Gaslighting und chronische Erkrankungen 

Für Menschen mit chronischen, unsichtbaren und dynamischen Erkrankungen sind solche Aussagen oft Teil des Alltags. Die Symptome (wie z.B. chronische Schmerzen oder Fatigue) sind oft schwer greifbar, von außen nicht sichtbar, erscheinen häufig zusammenhangslos und sind in der Regel nicht mit Labortests messbar – und werden deshalb häufig auch angezweifelt. 

Gerade bei Erkrankungen wie EDS, bei denen die Diagnose sowieso oft Jahre dauert und die körperliche Einschränkung für Außenstehende nicht sofort sichtbar ist, wird die persönliche Wahrnehmung ständig in Frage gestellt. Aussagen wie: 

„Aber gestern ging’s dir doch noch gut.“ 

 „Wer sagt denn, dass du nicht arbeiten kannst?“  

„Du musst einfach besser planen.“ 

stellen nicht nur die Symptome infrage, sondern auch die Glaubwürdigkeit der betroffenen Person. 

Was als vermeintlich gut gemeinter Ratschlag daherkommt, trifft oft direkt ins Selbstwertgefühl. Die Folge: Viele Betroffene ziehen sich zurück und sprechen aus Angst, nicht ernst genommen zu werden, nicht mehr über ihre Beschwerden.
Neben den schwerwiegenden psychosozialen Auswirkungen kann das auch dazu führen, dass eine Diagnose noch später gestellt wird. 

Was Gaslighting auslösen kann 

  • Zweifel an sich selbst
  • Schuldgefühle
  • Scham
  • Verzögerte Diagnosestellung
  • Soziale Isolation

 

Gaslighting im familiären oder sozialen Umfeld 

Besonders schmerzhaft ist es, wenn solche Sätze von nahestehenden Personen kommen.  

Die große Schwester, die fragt: 

 „Diese eine Schauspielerin hat das ja auch – warum kommt die so gut klar und du nicht?“  

Der Partner, der meint: 

 „Du hast ja jetzt Zeit – dann kannst du dich auch mal um X kümmern.“  

Oder die Mutter, die fragt: 

„Was willst du denn mit einer Diagnose – das ändert doch eh nichts.“ 

Was hier passiert, ist mehr als Unverständnis. Es ist ein systematisches Kleinreden, das dazu führen kann, dass Betroffene sich selbst nicht mehr vertrauen. Viele fragen sich: „Stelle ich mich wirklich an? Bin ich zu empfindlich? Übertreibe ich vielleicht?“ 

 

Unser Poster – Worte, die weh tun 

Gaslighting bei Ehlers-Danlos-SyndromUm diese Mechanismen sichtbar zu machen, haben wir ein Poster gestaltet. Es zeigt typische Sätze, die Menschen mit EDS oder anderen chronischen Erkrankungen immer wieder hören – vor der Diagnose, währenddessen und auch noch danach. 

Die Sprüche stehen in Sprechblasen, so wie sie im Alltag geäußert werden: mal beiläufig, mal spöttisch, mal scheinbar verständnisvoll – aber immer mit der Wirkung, zu entwerten und zu demütigen. 

In der Mitte steht eine kurze Definition von Gaslighting – um Betroffenen einen Begriff für das zu geben, was sie erleben, und Außenstehenden die Augen zu öffnen. 

 

 

 

 

Das Poster soll Mut machen: 

  • zu erkennen, was nicht okay ist, 
  • zu benennen, was verletzt, 
  • und Grenzen zu ziehen, um sich selbst zu schützen. 

Es soll aber auch zeigen: Du bist nicht allein. 

Das Poster steht hier zum Download bereit.

 

Was du tun kannst 

Wenn du selbst betroffen bist und solche Sätze kennst: 

  • Sprich darüber: Mit Menschen, denen du vertraust – oder in einer Selbsthilfegruppe. Sie können dir helfen, deine Erfahrungen einzuordnen. 
  • Dokumentiere Vorfälle und schreibe dir Aussagen auf: Das hilft, Muster zu erkennen und kann helfen dich in der Realität zu verankern. 
  • Vertraue dir selbst: Lass dir nicht einreden, dass du übertreibst: Deine Wahrnehmung ist real. Verlass dich auf dein Bauchgefühl. 
  • Informiere dich über Gaslighting: Zu verstehen, was passiert, ist der erste Schritt zur Abgrenzung. 

Wenn du selbst nicht betroffen bist, aber jemanden im Umfeld hast: 

  • Hör zu, ohne zu bewerten. 
  • Nimm Beschwerden ernst – auch wenn du sie nicht verstehst. 
  • Vermeide Sätze wie „Ich habe das auch manchmal“. Jeder Mensch erlebt Schmerzen und Belastungen anders. 

 

Hast du weitere Fragen oder brauchst Unterstützung?

Du kannst dich gerne per E-Mail an die Ehlers-Danlos Initiative wenden. Wir sind für dich da!

 

Autor: Sebastian Schwalm

 

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