
Operationen & Anästhesie bei EDS
Operationen & Anästhesie bei EDS: Was Betroffene unbedingt wissen sollten
Wichtiger Hinweis:
Die folgenden Informationen dienen ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzen nicht die individuelle medizinische Beratung durch qualifiziertes medizinisches Fachpersonal. Alle genannten Punkte sollten immer vorab mit dem behandelnden Team besprochen werden. Die EDS-Initiative spricht keine individuellen Therapie- oder Medikamentenempfehlungen aus. Bitte beachte, dass die Informationen möglicherweise nicht vollständig sind.
Komplexe Körper, besondere Bedürfnisse
Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) betrifft weit mehr als nur die Gelenke – es wirkt sich auf den gesamten Körper aus!
Bei Operationen kann das schwerwiegende Folgen haben: z. B. ein höheres Risiko für Komplikationen, eine verlängerte Heilung und eine schwierige Schmerztherapie. Wenn jedoch die medizinischen Besonderheiten erkannt und berücksichtigt werden, lassen sich viele Probleme vermeiden. Dieser Beitrag informiert Betroffene, Angehörige und medizinisches Fachpersonal über wichtige Aspekte rund um Operationen und Anästhesie bei EDS.
Vor der Operation
Diagnose & Subtyp klären:
- Wenn möglich, sollte der EDS-Subtyp bestimmt sein. Auch wenn es sich nicht um vaskuläres EDS handelt, können z. B. Gefäß – oder Hautauffälligkeiten bei klassischem EDS vorkommen.
- Sollte es sich um vaskuläres EDS handeln, sind besondere Maßnahmen aufgrund der starken Gefäßbeteiligung nötig.
Gelenkinstabilität & Lagerung:
- Viele Betroffene haben instabile Gelenke (Subluxationen oder Luxationen). Dies kann z.B. auch die Halswirbelsäule betreffen. Das OP-Team sollte über betroffene Gelenke informiert sein, um sie korrekt zu lagern und nicht zusätzlich zu verletzen.
- Kraniozervikale Instabilität (CCI), Atlantoaxiale Instabilität (AAI), Chiari- Malformationen oder Skoliosen erfordern besondere Auch wenn (noch) keine Diagnose vorliegt, sollte ein Verdacht auf Instabilität erwähnt werden –insbesondere für die Narkoseplanung. Eine starke Überstreckung der Halswirbelsäule bei der Intubation sollte vermieden oder besonders vorsichtig durchgeführt werden.
Lunge & Atemwege:
- Kiefergelenksprobleme (CMD), eine eingeschränkte Mundöffnung oder Kieferluxationen kommen häufig vor. Schonende Intubationsmethoden sollten bevorzugt eingesetzt werden.
- Schlafapnoe, Tracheomalazie oder frühere Pneumothoraces sollten unbedingt erwähnt werden.
- Bei Skoliose oder Kyphose kann je nach Ausprägung eine vorherige Lungenfunktionsprüfung nötig sein.
- Schonende Beatmung mit niedrigem Druck reduziert das Risiko für Lungenschäden.
Blutungen:
- Menschen mit EDS neigen teilweise zu verstärkten Blutungen, unter anderem auch durch MCAS.
- Bei bekannter Neigung zu Blutungen: Vor einer OP ist eine Diagnostik hinsichtlich einer möglicherweise vorliegenden Blutgerinnungsstörung wichtig, da diese vor, während und nach einer OP behandelt werden sollte.
- Sind in der Vergangenheit bereits verstärkte oder verlängerte Blutungen aufgetreten, muss dies vor der OP erwähnt werden.
Mastzellaktivierung (MCAS) oder Neigung zu Allergien:
- Unerwartete Reaktionen auf Medikamente sind möglich.
- Vorbeugend können verschiedene mastzellstabilisierende, antihistaminische oder entzündungshemmende Medikamente hilfreich sein. Dies sollte mit dem behandelnden medizinischen Personal, insbesondere dem Team der Anästhesie, besprochen werden.
- Bei einer intravenösen Verabreichung von Medikamenten empfiehlt sich eine langsame Gabe.
- Es sollte auf eine möglicherweise vorliegende Pflasterallergie geachtet werden.
Während der Operation
Anästhesie:
- Viele EDS-Betroffene sprechen schlecht auf Lokalanästhetika an.
- Nebenwirkungen sowie ungewöhnliche oder ausbleibende Wirkungen von Lokalanästhetika oder Schmerzmedikamenten sollten mitgeteilt werden.
- Die Wirkung von Medikamenten, Anästhetika, kann bei manchen Patienten grundsätzlich anders sein oder zeitlich verzögert eintreten.
Schmerzmanagement:
- Schmerzmedikamente wirken oft schlechter, es kann eine Multimodaltherapie notwendig sein.
- Medikamente, die Histamin freisetzen, sollten vermieden oder ersetzt werden, da sie möglicherweise MCAS-Symptome oder allergische Reaktionen hervorrufen können.
Kreislauf & Dysautonomie:
- POTS oder andere Formen von Dysautonomie kommen bei EDS-Betroffenen häufig vor und können sich insbesondere im Rahmen einer OP kombiniert mit einer Nahrungskarenz verstärkt zeigen.
- Frühzeitiger Venenzugang, Flüssigkeitstherapie und eine medikamentöse Therapie sind einzuplanen.
Nach der Operation
Schmerzen:
- Multimodale Ansätze auch postoperativ fortsetzen.
- Bei EDS-Betroffenen ist möglicherweise eine höhere Dosierung von Schmerzmedikamenten nötig, da diese oft schlechter wirken.
Magen-Darm-Trakt:
- Eine eventuell vorliegende Gastroparese kann zu Übelkeit und Erbrechen führen, daher ist in diesem Fall eine medikamentöse PONV-Prophylaxe (“Postoperative Nausea and Vomiting“ – Prophylaxe) empfehlenswert und sollte mit dem Team der Anästhesie noch vor der OP besprochen (PONV kann bei jedem auftreten!)
- Nüchternzeiten vor der OP sollten erfragt und angepasst werden, insb. bei bekannter Gastroparese/ Magenentleerungsstörung oder Kreislaufstörungen.
- Bei eventuell vorliegender intestinaler Motilitätsstörung oder (chronischer) Gastritis sollte bedacht werden, dass dies durch die Gabe von Schmerzmedikamenten (auch intravenös) verschlechtert werden kann.
Kreislaufprobleme:
- POTS kann sich nach Operation verschlechtern.
- Der Flüssigkeits- und Elektrolytstatus sollte regelmäßig geprüft
- Postoperative Flüssigkeitsinfusionen sind hilfreich, um Dehydration und Kreislaufproblemen vorzubeugen, da vor und während der Operation oft längere Trinkpausen eingehalten werden müssen.
Subtyp-spezifische Besonderheiten
Je nach vorliegendem Subtyp und individueller Ausprägung der Symptome sollte zusätzlich auf verschiedene Dinge geachtet werden:
Bei sehr verletzlicher Haut oder Wundheilungsstörungen:
- Vorsicht bei Pflastern
- Vorzugsweise keine selbstauflösenden Fäden verwenden.
- Die Nahtanlage sollte spannungsfrei erfolgen und die Nähte sollten länger als die übliche Liegezeit belassen werden.
Bei Gefäßfragilität/ vaskulärem EDS:
- Es besteht ein erhöhtes Risiko für spontane Gefäßrupturen.
- Invasive Zugänge (z.B. ZVK) sollten nach Möglichkeit vermieden werden.
- Eine enge, intensive Überwachung während und nach der OP ist wichtig.
Bei Muskelschwäche (oder kyphoskoliostischem EDS):
- Berücksichtigung der Muskelschwäche und enge Überwachung der Atemfunktion.
Sich Gehör verschaffen & Erfahrungen ernst nehmen
Für Betroffene:
- Strukturiert vorgehen: Nimm schriftliche Unterlagen und Vorbefunde mit, die deine Diagnosen, Medikamentenerfahrungen oder frühere OP-Verläufe dokumentieren.
- Verhindere, dass man dich überhört. Sprich deine Punkte deutlich und ruhig an – lieber mehrmals –, gerade wenn sie für deine sichere Behandlung relevant sind.
- Du bist die Expertin oder der Experte für dein eigenes Körpergefühl. Wenn dir irgendetwas ungewöhnlich erscheint – sag es!
Für das behandelnde Team:
- Nehmt die Betroffenen ernst: Menschen mit EDS kennen ihren Körper und ihre individuellen Reaktionen auf Behandlungen häufig sehr gut.
- Hört aktiv zu und seid bereit dazuzulernen – selbst wenn EDS selten ist, kann die individuelle Erfahrung entscheidend sein.
- Shared Decision-Making: Bezieht die Betroffenen in Entscheidungen ein und respektiert ihre Einschätzungen und Bedürfnisse.
Fazit
Operative Eingriffe bei EDS-Betroffenen werden nur dann empfohlen, wenn sie medizinisch zwingend notwendig sind!
Dennoch sind sie machbar – mit guter Vorbereitung, einem informierten Team und Kommunikation. Betroffene sollten ihre Vorgeschichte mitteilen und relevante Symptome erwähnen, selbst wenn noch keine formale Diagnose vorliegt. Eine Zusammenarbeit von medizinischem Personal verschiedener Fachbereiche ist der Schlüssel zu mehr Sicherheit.
Quellen:
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