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Missverständnisse über das Ehlers-Danlos-Syndrom

Häufige Missverständnisse über das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS)

 

Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ist eine seltene, genetisch bedingte Bindegewebserkrankung, die im Alltag häufig zu Missverständnissen führt. Viele Betroffene erleben eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt, bevor sie eine Diagnose erhalten. Nicht selten hören sie auf diesem Weg Sätze wie „Sie sind einfach nur hypermobil“ oder „Das ist bestimmt psychosomatisch“.
Diese Fehleinschätzungen sind kein Einzelfall. Sie spiegeln ein breites Unwissen über EDS wider. In diesem Beitrag werden einige der häufigsten Missverständnisse bezüglich EDS aufgegriffen und es wird erklärt, warum sie so hartnäckig sind und wie man ihnen begegnen kann.


Häufige Missverständnisse im Überblick

  1. „Es gibt nur ein EDS.“

Ein sehr verbreitetes Missverständnis ist die Annahme, EDS sei eine einzige Krankheit mit immer gleichen Symptomen.
Tatsächlich unterscheidet die aktuelle internationale Klassifikation (2017) 13 verschiedene Typen des Ehlers-Danlos-Syndroms.
Diese Typen beruhen auf unterschiedlichen genetischen Ursachen und zeigen teils sehr unterschiedliche Symptome und Schweregrade.

Zum Beispiel:

  • Beim vaskulären Typ (vEDS) sind vor allem Blutgefäße und innere Organe betroffen. Es besteht eine deutlich erhöhte Rupturgefahr.
  • Beim klassischen Typ (cEDS) stehen Haut, Wundheilung und Narben im Vordergrund.
  • Der hypermobile Typ (hEDS) betrifft vor allem die Gelenke und das autonome Nervensystem, wobei die genetische Ursache hier noch nicht eindeutig identifiziert ist.

Hier ist eine Auflistung der aktuell klassifizierten EDS-Typen:

 

Sechs dunkelblaue Balken mit weißen Texten zu verschiedenen EDS-Typen, rechts jeweils ein weißer Kreis mit dunkelblauem Rand.Liste mit verschiedenen Ehlers-Danlos-Syndrom-Typen, jeweils mit Abkürzung in Klammern, auf dunkelblauem Hintergrund.

 

Darüber hinaus vermuten Forschende, dass es weitere, bisher nicht klassifizierte Typen oder auch Mischtypen geben könnte.
Das erklärt, warum sich EDS bei Betroffenen so unterschiedlich zeigt und warum Diagnosen manchmal schwierig sind – es gibt nicht „das eine EDS“, sondern ein Spektrum von verwandten Erkrankungen.


  1. „EDS bedeutet nur, dass man ein bisschen zu flexibel ist.“

Viele Menschen, darunter auch medizinisches Fachpersonal, reduzieren EDS auf Überbeweglichkeit. Dabei ist das Syndrom eine systemische Erkrankung des Bindegewebes, die den gesamten Körper betrifft. Hypermobilität ist zwar ein Hauptsymptom, allerdings nicht das ganze Bild.


  1. „Wenn die genetischen Tests unauffällig sind, kann es kein EDS sein.“

Das stimmt nicht. Für die hypermobile Form (hEDS) ist noch kein spezifisches Gen identifiziert. Zudem gibt es vermutlich weitere Typen oder Mischtypen, die aktuell genetisch noch nicht nachgewiesen werden können.
Die Diagnose wird in manchen Fällen klinisch gestellt, also anhand der Symptome und Kriterien, nicht anhand eines Labortests.


  1. „Wenn man normal aussieht, kann es nicht so schlimm sein.“

EDS ist eine unsichtbare Erkrankung. Viele Betroffene sehen äußerlich oft gesund aus, kämpfen aber unter anderem mit chronischen Schmerzen, Erschöpfung, Instabilitäten oder Kreislaufproblemen. Zudem variiert die Intensität der Symptome je nach Tagesform sehr stark.
Das führt häufig zu Missverständnissen im Alltag und sogar zu Unglauben bei ärztlichem Personal oder im Umfeld.


  1. „Das ist so selten, das kann man also eigentlich nicht haben.“

Ja, EDS gilt als seltene Erkrankung, aber die hypermobile Form (hEDS) ist wahrscheinlich häufig unterdiagnostiziert. Die Symptome vieler Menschen mit chronischer Hypermobilität, Schmerzen oder Dysautonomie werden nie richtig abgeklärt.
Ein Teil des Problems liegt darin, dass nicht alle Fachleute die Diagnosekriterien kennen, sie unterschiedlich auslegen oder sich nicht zuständig fühlen.


  1. „Es gibt nichts, was man dagegen tun kann.“

EDS ist zwar nicht heilbar, aber die Symptome sind behandelbar, wenn man weiß, wie.
Gezielte Physiotherapie, Schmerzmanagement, Anpassungen im Alltag können die Beschwerden lindern. Außerdem ist eine (fach-)ärztliche Betreuung für EDS-Betroffene wichtig, um regelmäßige Kontrollen und nötige Anpassungen der Therapien und/oder Medikamente zu erhalten.
Das Ziel ist nicht „Heilung“, sondern mehr Lebensqualität und Stabilität, und das ist durchaus erreichbar.


  1. „Jede hypermobile Person hat EDS.“

Nein, nicht jeder Mensch mit hypermobilen Gelenken hat EDS.
Viele haben zum Beispiel eine Hypermobilitätsspektrumstörung (HSD) ohne systemische Beteiligung. Zudem gibt es auch Menschen mit asymptomatischer Hypermobilität, das bedeutet, dass bei ihnen die Überbeweglichkeit der Gelenke nicht zu Beschwerden oder Beeinträchtigungen führt. EDS erfordert weitere Kriterien, z. B. Hautveränderungen, chronische Schmerzen, Instabilitäten oder familiäre Muster.


  1. „Alles ist psychosomatisch.“

Viele Betroffene hören diesen Satz, oft nach Jahren ohne klare Diagnose.
Selbstverständlich können chronische Erkrankungen psychisch belastend sein, aber EDS ist eine körperliche Erkrankung, die in den meisten Fällen sogar genetisch nachgewiesen werden kann und anhand von klaren Kriterien diagnostiziert wird.
Psychische Unterstützung ist wichtig und kann hilfreich sein, aber sie ersetzt keine medizinische Anerkennung oder körperliche Behandlung.


  1. „Wenn du Sport machst, kann es nicht so schlimm sein.“

Bewegung ist wichtig, muss bei EDS allerdings gezielt und angepasst sein. Viele Betroffene können leichte Aktivitäten ausüben, müssen aber ihre Grenzen gut kennen. Abhängig vom individuellen körperlichen Zustand kann leichte sportliche Betätigung helfen, die Symptome zu verbessern. So können zum Beispiel leichte Übungen zum Aufbau der Muskulatur zu einer Stabilisierung der Gelenke führen, was die Hypermobilität und Instabilität etwas kompensieren kann.
Sportfähigkeit sagt nichts über die Schwere der Erkrankung aus. Sie zeigt vielmehr, wie individuell EDS verlaufen kann.


  1. „EDS betrifft nur Frauen.“

EDS kann alle Geschlechter betreffen.
Zwar werden mehr Frauen diagnostiziert, aber das liegt auch daran, dass Männer oft unterdiagnostiziert sind oder andere Symptome zeigen.
Hormone und Bindegewebsstruktur können die Ausprägung beeinflussen, aber EDS ist nicht geschlechtsspezifisch.


  1. „Man wächst da raus.“

EDS ist genetisch bedingt und bleibt lebenslang bestehen. Häufig verläuft die Erkrankung progredient, das bedeutet, dass Symptome mit der Zeit zunehmen.
Die Einschränkungen können sich mit dem Alter verändern (z. B. weniger Hypermobilität, dafür mehr Schmerzen oder Fatigue), aber die Ursache bleibt dieselbe.


Fazit

Das Ehlers-Danlos-Syndrom ist viel mehr als „hypermobile Gelenke“ und „dehnbare Haut“. Es ist eine komplexe, chronische Systemerkrankung, die Verständnis und Aufmerksamkeit verdient.
Missverständnisse entstehen oft aus Unwissen und können sich nur durch Aufklärung und Sichtbarkeit auflösen.
Wenn Betroffene, Angehörige und Fachleute beginnen, EDS als das zu sehen, was es ist, kann der Weg zu besserer Versorgung und mehr Akzeptanz beginnen.